Sonntag, 5. Mai 2024
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Tatverdächtiger 45 Jahre nach Mord an schwulem Rentner freigesprochen

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Es war in den ersten Tagen des Jahres 1979, als in München ein 69 Jahre pensionierter Buchhalter mit zertrümmertem Schädel in seiner Badewanne gefunden wurde. Auf dem Kopf hatte er zwei Plastikschüsseln und einen Eimer, er war nur mit Unterwäsche bekleidet. Verwandte hatten sich Sorgen gemacht, weil der Mann, der mit Escorts verkehrte, nicht wie verabredet am 2. Jänner zu einer Messe erschienen war. Der Fall machte als „Silvester-Mord“ über Bayern hinaus Schlagzeilen.

Der erneute Abgleich der Daten ergab 2021 einen Treffer

Tatwaffe war ein kiloschwerer Mörserstößel. Die Polizei sicherte damals in der Wohnung drei Fingerabdrücke, ein Haar und eine Flüssigkeit auf dem Bettlaken. Im Zuge der Bearbeitung von Cold-Case-Fällen wurden Jahrzehnte nach der Tat die Akten wieder geöffnet. Ein europaweiter Abgleich der DNA ergab 2021 einen Treffer in England, bei einem heute 70-jährigen Mann.

Er wurde im Frühjahr 2023 widerstandslos festgenommen. Der Mann soll damals als Student ein halbes Jahr auf einer Baustelle in München gejobbt haben und vor einigen Jahrzehnten in Großbritannien wegen Raubes verurteilt worden sein. Vor Gericht schwieg der Brite. Sein Verteidiger forderte einen Freispruch für seinen Mandanten.

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Staatsanwaltschaft forderte lebenslänglich – doch es wurde ein Freispruch im Zweifel

Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer hingegen lebenslange Haft für den Angeklagten. Sie sah es als erwiesen an, dass der Mann den Pensionisten heimtückisch, aus Habgier und zur Ermöglichung einer anderen Straftat ermordete. Doch das Gericht folgte dieser Argumentation nicht.

Nun wurde der 70-jährige Angeklagte freigesprochen – im Zweifel: Die Strafkammer des Münchner Landgerichts unter dem Vorsitz von Richter Norbert Riedmann glaubte zwar, dass der Angeklagte wohl der Täter sei – doch es seien Zweifel geblieben: Der Mord könne nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden, heißt es in der Urteilsbegründung.

Kein Mordmotiv – und Totschlag wäre längst verjährt

Es sei denkbar, dass sich noch ein weiterer Mann in der Wohnung aufgehalten hätte, auch wenn Haar und Fingerabdrücke mit dem Angeklagten übereinstimmten, erklärte der Richter: So hatte eine mittlerweile verstorbene Zeugin vor Silvester 1978 drei Männer im Treppenhaus beobachtet – nicht nur zwei.

Außerdem konnte das Gericht keine Mordmerkmale wie etwa Habgier erkennen – weshalb der Angeklagte im Falle der Schuld nur wegen Totschlags zu verurteilen gewesen wäre. Und der wäre – anders als Mord – bereits verjährt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft München kann innerhalb einer Woche Revision einlegen. Wenn das Urteil Rechtskraft erlangt, muss der Angeklagte wegen der Haft in England und der Untersuchungshaft in Deutschland aus der Staatskasse entschädigt werden.

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