Freitag, 26. April 2024
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Warum Nordrhein-Westfalen für Lesben und Schwule statistisch sicher ist

...und warum diese Kriminalstatistik das Papier nicht wert ist, auf dem sie gedruckt wurde

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Zahlen lügen nicht – aber manchmal erzählen sie zumindest nicht die ganze Wahrheit. So auch eine Antwort auf eine Anfrage im Landtag von Nordrhein-Westfalen: Demnach gab es im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands den letzten homophoben Raubüberfall im Jahr 2009.

Der fraktionslose Abgeordnete Daniel Schwerd, der für die Piratenpartei 2012 in den Düsseldorfer Landtag einzog und nun Mitglied der Linkspartei ist, wollte wissen, wie es mit Homo- und Transphobie in der offiziellen Kriminalstatistik von Nordrhein-Westfalen aussieht.

Nur hundert homo- und transphobe Straftaten in zehn Jahren

Die Beantwortung lässt aufhorchen: Der Statistik zufolge gab es im gesamten Bundesland in den letzten zehn Jahren gerade einmal 100 als homo- oder transphob registrierte Straftaten. Zum Vergleich: Die Berliner Beratungsstelle ReachOut hat alleine im Jahr 2016 insgesamt 70 Fälle gezählt, in denen Lesben, Schwule, Bisexuelle oder Transgender gewaltsam angegriffen oder massiv bedroht wurden.

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Ist dann Nordrhein-Westfalen für sexuelle Minderheiten sicherer als die deutsche Hauptstadt? Eher nicht – denn: „Trans- und homophob motivierte Straftaten werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht explizit erfasst“, lässt das Innenministerium den Abgeordneten wissen. Nur Taten, die als „politisch motivierte Kriminalität“ eingestuft werden, schaffen es in die Statistik.

Auch von der Landesregierung geförderte Stellen kommen auf höhere Zahlen als die Kriminalstatistik

Und den zuständigen Beamten ist klar, dass diese Zahlen die Wirklichkeit nicht annähernd wiedergeben. Denn der Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule und Trans* in Nordrhein-Westfalen, die von der Landesregierung gefördert wird, wurden alleine im Jahr 2015 insgesamt 60 Fälle von Gewalt gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle gemeldet. Zum Vergleich: In der Statistik tauchen in diesem Jahr gerade 16 Straftaten gegen sexuelle Minderheiten auf.

Für Jasper Prigge, queerpolitischen Sprecher der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen, ist das ein Skandal. Denn in den Medien ist immer wieder von Fällen zu lesen, die dann aber offenbar nicht in die Statistik kommen. So waren beispielsweise 2016 in Bochum mehrere Täter verurteilt worden: Die Täter hatten insgesamt elf schwule Männer mit angeblichen Online-Dates in eine Falle gelockt und ausgeraubt.

Prigge kritisiert in diesem Zusammenhang „die Weigerung der NRW-Landesregierung, homo- und transphobe Gewalt überhaupt als solche in der Polizeilichen Kriminalstatistik des Landes NRW zu erfassen.“ Denn Bedrohungen, Raubüberfälle oder Körperverletzungen werden in der Regel nicht als „politisch motivierte Kriminalität“ eingestuft – und landen so nicht als Gewalt gegen sexuelle Minderheiten in der Statistik.

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