Adam (Andrew Scott) ist ein nicht sehr erfolgreicher Drehbuchautor fürs Fernsehen, der gerade versucht, etwas Autobiografisches zu schreiben – was ihm nicht so recht gelingen will. Er lebt allein in einem fast leeren Hochhaus etwas außerhalb von London.
Asia-Nudeln und Frankie Goes To Hollywood gegen die Einsamkeit
Um sich zu trösten, holt er sich einen letzten Rest asiatischer Nudeln aus der Aluschale oder schaut sich die Videos von „Frankie Goes To Hollywood“ aus den 80er Jahren an, die ihn – zumindest für kurze Zeit – aus seiner Einsamkeit reißen.
Eines Tages steht der jüngere Harry (Paul Mescal), der im selben Haus wohnt, mit einer Flasche japanischen Schnapses vor der Tür und lädt sich selbst einfach ein. Es kommt, was kommen muss: Der erste Kuss ist noch recht unbeholfen, der darauffolgende Sex hitzig.
In der zweiten Ebene des Films wird Adam mit seiner Vergangenheit konfrontiert
Doch der Liebesbeziehung, die jetzt eigentlich kommen sollte, stehen sich die Protagonisten selbst im Weg. Harry möchte Adam aus seinem Schneckenhaus herausholen – was einfacher klingt, als es ist. Denn Adam suchen die Erinnerungen aus seiner Vergangenheit heim.
In einer zweiten Ebene des Films trifft Adam in seinem Elternhaus auf seine Eltern (Claire Foy und Jamie Bell), die ei einem Verkehrsunfall gestorben sind, als er noch ein Kind war. Sie scheinen noch genau so zu leben wie an jenem Tag, an dem sie gestorben sind.
Dadurch hat er die Gelegenheit, ihnen alles zu erzählen, was seit dem Unfall passiert ist, auch mit ihm – inklusive dem Coming-out mit dramatischer Reaktion der Eltern, die im wahrsten Sinne des Wortes noch in der Vergangenheit leben.
Durch diesen Kunstgriff und die Verwebung der beiden Erzählstränge schafft Regisseur Andrew Haigh eine Ebene der Gefühle. Er zeigt, was sie auslösen, wie man mit ihnen umgeht, und wie heilsam Liebe sein kann.
Andrew Scott und Paul Mescal brillieren in ihren Rollen
Mit der ausgezeichneten Besetzung hat Haigh das richtige Händchen bewiesen. Mescal spielt die Rolle des Harry mit einer entwaffnenden Liebenswürdigkeit, ohne dabei zu simpel zu wirken. Scott als Adam ist eine schöne und schüchterne Ergänzung. Die großartigen Einzelleistungen der Schauspieler potenzieren sich gegenseitig.
Die Geschichte ist eingebettet in einen wunderbaren Soundtrack queerer Kultbands der 1980er-Jahre. ‚All of Us Strangers‘ ist eine beeindruckende Zeitreise und eine bewegende Liebesgeschichte, in der es um Traumata und Trost geht. Themen wie Einsamkeit, Zugehörigkeit, Verlust und Authentizität in einer immer komplexer werdenden Welt werden meisterhaft miteinander verknüpft.
„All of Us Strangers“ ist zweifellos einer der schönsten queeren Filme des Jahres – dank seiner fesselnden Geschichte, herausragenden schauspielerischen Leistungen, des einzigartigen Erzählstils und des mitreißenden Soundtracks. Der Film startet am 8. Februar in den österreichischen Kinos. Im Oktober wurde er bereits im Rahmen der Viennale erstmals im deutschen Sprachraum gezeigt.
„All of Us Strangers“
Großbritannien/USA 2023
105 Minuten
Kinostart: 8. Februar 2024