Montag, 20. Mai 2024
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Tschechien: Höchstgericht kippt OP-Pflicht für trans Personen

Wenn trans Menschen in Tschechien ihr Geschlecht amtlich ändern wollen, müssen sie sich vorher sterilisieren lassen. Doch diese Praktik ist menschenrechtswidrig, hat nun das Verfassungsgericht entschieden.

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Einmal mehr hat der tschechische Verfassungsgerichtshof in Brno (Brünn) die Rechte sexueller Minderheiten gestärkt: Er hat am Dienstag mit 13 von 15 Stimmen entschieden, dass eine rechtliche Anpassung des Geschlechts ohne Sterilisation und chirurgische Maßnahmen zur Geschlechtsanpassung möglich sein muss. Damit hält er sich an die aktuelle Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

Bis jetzt konnte sich die Koalition nicht auf einen Gesetzesentwurf einigen

Das Parlament in Prag hat nun bis Mitte nächsten Jahres Zeit, aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch den Abschnitt zu streichen, wonach „die Änderung des Geschlechts einer Person durch einen chirurgischen Eingriff mit gleichzeitiger Ausschaltung der Fortpflanzungsfunktion und Umwandlung der Geschlechtsorgane erfolgt“.

Der Wille zur Änderung ist in der tschechischen Politik durchaus vorhanden: Auf einer Pressekonferenz sagte Premierminister Petr Fiala, ein Gesetzesentwurf liege bereits vor. Justizminister Pavel Blažek sagte, sein Ressort habe einen entsprechenden Entwurf bereits seit zwei Jahren in der Schublade – allerdings konnte sich die Regierungskoalition nicht darüber einigen.

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Der Anwalt des Klägers ist zufrieden

Geklagt hatte ein trans Mann, dem mit der Entscheidung Recht gegeben wurde. Da er sich nicht sterilisieren lassen wollte, lehnte das Standesamt ab, seinen Namen, sein Geschlecht und die Geburtsnummer zu ändern. Sein Anwalt Petr Kalla ist zufrieden: „Meiner Meinung nach ist es eine große Schande für Tschechien, dass der Staat trans Personen bei der Geschlechtsänderung zur Sterilisation gezwungen hat“, sagt er dem Tschechischen Radio (CR) .

Derzeit gehört Tschechien zu einem der vier Länder in der EU, in denen das Geschlecht zuerst vollständig medizinisch angepasst werden muss, bevor auch eine rechtliche Änderung möglich ist. Das verstoße gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und verletze die Menschenwürde der Betroffenen, so die Richter:innen.

Vor zwei Jahren hatte das Gericht noch anders entschieden

Vor zwei Jahren hatte das Höchstgericht in einem ähnlichen Fall noch anders entschieden. Dass die entsprechende Passage im Bürgerlichen Gesetzbuch nun aufgehoben wurde, liegt an einem Generationenwechsel im Richtersenat sowie einer geänderten Wahrnehmung der Situation von trans Menschen in der tschechischen Gesellschaft.

Die Sterilisation von trans Menschen ist derzeit außerdem noch in Bulgarien, Lettland und Rumänien Voraussetzung für die amtliche Anpassung des Geschlechts.