Freitag, 26. April 2024
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Sexueller Missbrauch: Prozess gegen Berliner Arzt beginnt am Montag

Der Arzt weist alle Vorwürfe gegen ihn zurück

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Am Montag soll am Berliner Amtsgericht Tiergarten der Prozess gegen einen bekannten Berliner Arzt, der mehrere männliche Patienten sexuell missbraucht haben soll, starten. Die Ermittlungen dauerten mehrere Jahre, der Prozessbeginn wurde mehrere Male verschoben. Einigen der angezeigten Fälle droht Verjährung. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Bereits 2016 hat die Staatsanwaltschaft den Arzt angeklagt

Bereits im Jahr 2016 hat die Staatsanwaltschaft Berlin im vorliegenden Fall Klage gegen den niedergelassenen Mediziner mit HIV-Schwerpunkt erhoben. Sie wirft dem Mediziner in fünf Fällen „sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses“ vor. 

So soll es bei dem Arzt unter anderem Analuntersuchungen und Prostatamassagen ohne ersichtlichen Grund gegeben haben, sowie versuchten Oralverkehr und Kussversuche. Der erste Fall reicht in den August 2011 zurück – da solche Fälle in Deutschland nach zehn Jahren verjähren, droht eine Verjährung.

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Im Juni wird endlich ein Urteil erwartet

Seit den ersten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind mittlerweile sechs Jahre vergangen, der Prozessbeginn wurde immer wieder verschoben. Nun soll am Montag, dem 19. April, die Hauptverhandlung starten. Insgesamt sind elf Verhandlungstage anberaumt, ein Urteil wird im Juni erwartet. Bei einer Verurteilung drohen dem Mediziner bis zu vier Jahren Haft. 

Der Arzt bestreitet alle Vorwürfe gegen ihn. Er betont, dass strafrechtliche Untersuchungen, die Beschwerden von vor 2011 zum Inhalt hatten, von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden waren, weil sie nicht genügend Anlass zur Klageerhebung geboten hätten. Außerdem gebe es nach der Klageerhebung 2014 keine neuen Beschwerden gegen ihn. Die fünf Fälle des Strafverfahrens seien von einem der mutmaßlichen Opfer „orchestriert“.

Der Arzt soll sich besonders verletzliche junge Männer ausgesucht haben

Der Anklage zufolge habe sich der Arzt bewusst junge und verletzliche Männer gesucht: Sie waren schwul oder bisexuell und befanden sich in besonders verletzlichen Situationen. Oft sprachen sie wenig oder gar kein Deutsch und hatten oft keine Krankenversicherung. Diese Umstände soll der Mediziner ausgenutzt haben, so die Staatsanwaltschaft Berlin.

Vier ehemalige Patienten, deren Fälle vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt werden, haben sich dem Prozess als Nebenkläger angeschlossen. Dass zwischen der Erstattung der Anzeige und dem Hauptverfahren mehrere Jahre liegen und das Verfahren mehrere Male verschoben wurde, sei für die Nebenkläger eine „fortlaufende psychische Belastung“, so die Berliner Rechtsanwältin Barbara Petersen, eine der Anwältinnen der Nebenkläger, gegenüber dem Online-Portal queer.de.

Der Arzt klagte gegen Vorberichterstattung zu seinem Fall

Der Fall hat auch medienrechtlich Relevanz erhalten: Nachdem die Magazine BuzzFeed und Vice im September 2019 ausführlich über die Vorwürfe gegen den Berliner Arzt berichtet hatten, erwirkte dieser einstweilige Verfügungen, die dazu führten, dass die Medien ihre Artikel offline nehmen mussten.

Im Dezember 2020 bekamen die beklagten Online-Magazine zumindest teilweise Recht: So darf über den Fall berichtet werden, der Name des Mediziners und der genaue Ort seiner Praxis dürfen aber nicht genannt werden. Passagen, in denen die mutmaßlichen Opfer zu Wort kommen, sind allerdings nicht zulässig – weil sie durch ihre Authentizität zu einer Vorverurteilung des Arztes führen könnten. 

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