Samstag, 27. April 2024
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Linz will die Verfolgung queerer Personen wissenschaftlich aufarbeiten

Die Stadt Linz bekräftigt ihr Bekenntnis zur LGBTI-Community: Mit einem wissenschaftlichen Projekt soll nun die Verfolgung von Lesben und Schwulen beleuchtet werden. Die HOSI Linz begrüßt das Projekt.

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Grünes Licht hat der Linzer Stadtsenat am Donnerstag für ein Projekt gegeben, das bis 2026 die Verfolgung sexueller Minderheiten in der oberösterreichischen Hauptstadt aufarbeiten soll. Ein Schwerpunkt soll dabei auf die Zeit des Nationalsozialismus gelegt werden. Doch auch die Zeit davor und danach soll beleuchtet werden.

Die Verfolgten sollen auch in Linz endlich eine Stimme bekommen

Bis jetzt fehlt eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung der Verfolgungsgeschichte sexueller Minderheiten für den Raum Linz. Das soll durch das nun beschlossene Projekt geändert werden. Die historische Aufarbeitung ist Teil des vor zwei Jahren im Gemeinderat beschlossenen LGBTIQ*-Konzeptes, mit der sich Linz auch ihrer geschichtlichen Verantwortung stellt.

Das Ziel der Forscher:innen: Durch die Darstellung der Ereignisse und Schicksale der betroffenen Personen ein Bewusstsein für die Verfolgung während des Nationalsozialismus zu schaffen und die Stimmen und Geschichten der Opfer sichtbar zu machen. Dabei sollen hauptsächlich Gerichtsakten aus dem oberösterreichischen Landesarchiv ausgewertet und in eine Datenbank übertragen werden.

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Die Linzer Community soll eingebunden werden und begrüßt das Projekt

Die Hoffnung der Forschenden: Dadurch könnten bisher möglicherweise unentdeckte Zusammenhänge oder persönliche Netzwerke aufgedeckt werden, ähnlich wie es bereits bei ähnlichen Projekten in Wien der Fall war. Die Linzer Community soll regelmäßig in das Projekt eingebunden werden.

Die HOSI Linz begrüßt das Projekt: „Gerade die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses dunkelsten Kapitels unserer Geschichte ist in Oberösterreich bisher weitestgehend ausgebleiben“, so Vereinssprecher Michael Müller: „Es freut uns daher sehr, dass der Stadtsenat heute beschlossen hat, die Verfolgungsgeschichte homosexueller Menschen in Linz während der NS-Herrschaft wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Dies, zusammen mit einem noch zu findenden öffentlichen Gedenkort an die homosexuellen Opfer des NS-Terrors, soll eine späte Anerkennung des so vielfach erlittenen Unrechts sein.“

Besondere Verantwortung als ehemalige „Führerstadt“

„Die Stadt Linz setzt sich umfassend mit der Aufarbeitung ihrer NS-Geschichte auseinander. Mit dem Fokus auf das Thema LGBTIQ* können wir nun eine klaffende Lücke in der Erforschung der Stadtgeschichte endlich schließen“, erklärt dazu die Linzer LGBTIQ*-Referentin, Vizebürgermeisterin Tina Blöchl von der SPÖ. Die Ergebnisse würden „eine wichtige Grundlage für weitere Projekte und die Antidiskriminierungsarbeit des LGBTIQ*-Ressorts“ darstellen.

Linz habe als ehemalige „Führerstadt“ eine besondere Verantwortung, fügt die für das Archiv zuständige Bildungsstadträtin Eva Schobesberger von den Grünen hinzu. „Die Verfolgung homosexueller Personen in Linz ist bis dato kaum erforscht und ich danke allen Beteiligten, dass wir nun zusammen dieses Projekt auf den Weg bringen können“, erklärt sie Wichtig sei dabei die Kontinuität, denn die Leiden der Opfer hätten „weder mit der NS-Diktatur begonnen noch hat sie 1945 geendet“.

Bis 1787 drohte auf Homosexualität die Todesstrafe

Homosexualität wurde in Österreich seit dem Mittelalter verfolgt, bis zu Josef II. im Jahr 1787 drohte sogar die Todesstrafe. Ins österreichische Strafrecht kam die „Unzucht mit Personen desselben Geschlechts“ im Jahr 1852. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Deutschland bezog dieser § 129 lb in Österreich auch Frauen mit ein. Es drohten bis zu fünf Jahren schwerer Kerker.

Während der Nazi-Diktatur wurden zahlreiche schwule und bisexuelle Männer in den Konzentrationslagern interniert und dort mit einem rosa Winkel gekennzeichnet – was sie auch innerhalb der Lager stigmatisierte. Nur wenige von ihnen überlebten den Nationalsozialismus.

In der 2. Republik waren Schwule nur Opfer zweiter Klasse

Doch die Probleme endeten für die Betroffenen nicht mit dem Ende Hitlerdeutschlands. Denn auch im demokratischen Österreich blieben gleichgeschlechtliche Handlungen verboten. Sie wurden bis 2005 nicht als Opfer des Nationalsozialismus angesehen, sondern noch über Jahre weiter verfolgt. In den 1950er Jahren wurde die gerichtliche Verfolgung sogar noch intensiver, im Jahr 1955 erreichte sie ihren Höhepunkt.

Erst 1971 wurde das „Totalverbot“ von Homosexualität aufgehoben. Der letzte querfeindliche Paragraf im österreichischen Strafrecht, Paragraf 209, wurde erst 2002 aufgehoben – seine Opfer warten bis heute auf Entschädigung. Den vollständigen Schutz vor Diskriminierung, das Levelling-up“, gibt es in Österreich für die LGBTI-Community noch immer nicht.

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