Samstag, 27. April 2024
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Ab heute können schwule und lesbische Justizopfer rehabilitiert werden

Noch bis 2002 waren in Österreich Paragrafen in Kraft, mit denen homosexuelle Menschen verfolgt und verurteilt worden. Ab dem heutigen Tag können sie die Rehabilitierung ihrer Urteile beantragen - und haben Anspruch auf Entschädigungszahlungen.

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Bis zum Jahr 2002 gab es in Österreich Sondergesetze, die vor allem schwule Männer kriminalisierten, bis 1971 waren gleichgeschlechtliche Handlungen in Österreich ganz verboten. Nicht weniger als 11.000 Menschen sollen deshalb zwischen 1945 und 2002 von der Justiz verfolgt worden sein.

Kerkerstrafen, Verlust der bürgerlichen Existenz – bis hin zum Führerschein

Die Formen dieser Verfolgung waren vielfältig: In der Nachkriegszeit wurden sie zu „Kerkerstrafen“ verurteilt. als Sexualstraftäter verurteilt haben sie oft ihren Job verloren, ihre akademischen Titel wurden ihnen aberkannt, sogar der Führerschein wurde ihnen entzogen. Das war besonders perfide – mussten sie doch oft selbständig arbeiten, weil sie nach ihrer Verurteilung keine Arbeit mehr fanden.

Im Oktober 2023 hat Justizministerin Alma Zadić von den Grünen angekündigt, die Opfer der homosexuellen Sondergesetze zu rehabilitieren und zu entschädigen. Nun ist es soweit: Ab heute, dem 1. Februar, können die Betroffenen ihre vollständige Rehabilitierung beantragen. Die Urteile gegen sie werden dann aufgehoben, auch Entschädigungszahlungen können beantragt werden.

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Zadić: Es geht um die Aufhebung der Urteile und eine symbolische Entschädigung

„In erster Linie geht es darum, die Urteile aufzuheben und eine – wenn auch symbolische – Entschädigungszahlung zur Verfügung zu stellen, für all jene Menschen, die unglaubliches Leid erlitten haben – Leid deswegen, weil sie die vermeintlich falsche Person geliebt haben“, sagte Zadić dazu im ORF-Radio. Im Budget sind dafür bis zu 33 Millionen Euro vorgesehen.

Für eine Verurteilung sieht das Gesetz eine Entschädigung in der Höhe von 3.000 Euro vor, für jedes angefangene Jahr Haft 1.500 Euro. Für Strafverfahren ohne Verurteilung beträgt die Entschädigung 500 Euro, und 1.500 Euro gibt es für Personen, die im Zusammenhang mit den entsprechenden Paragrafen unter besonderen beruflichen, wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Nachteilen zu leiden hatten.

Lindner: „Endlich übernimmt die Republik Verantwortung“

„Endlich übernimmt die Republik Verantwortung für das Unrecht, das sie tausenden Menschen nur wegen ihrer sexuellen Orientierung zugefügt hat“, lobt auch SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner die Initiative der Justizministerin. Ohne den insgesamt 25 Jahre dauernden Druck der Community wäre „dieser wichtige Erfolg“ nicht möglich gewesen.

Anträge auf Entschädigung können bis 2033 per Post oder bei jedem Landesgericht gestellt werden. Die dafür notwendigen Formulare finden sich auf der Homepage des Justizministeriums . Doch die Zahl der Personen, die eine Entschädigung beantragen, wird sich wohl in Grenzen halten. Viele der Justizopfer leben nicht mehr, andere wollen nicht wegen ihrer Homosexualität noch ein gerichtliches Prüfverfahren über sich ergehen lassen.

Nun müssen weitere Schritte folgen

Dem entsprechend sieht auch Andreas Brunner, Historiker bei QWIEN – Zentrum für queere Geschichte die Entschädigungen kritisch. „Mit Geld kann man ein zerstörtes Leben nicht wiedergutmachen. Aber es ist eine gewisse Form der Anerkennung“, sagt er dem Ö1-Morgenjournal .

Auch Lindner und die Grüne LGBTIQ- und Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic sind der Meinung, dass nun weitere Schritte des offiziellen Österreich folgen müssen. „Ich lade meine Kolleg:innen im Parlament dazu ein, gemeinsam eine offizielle Entschuldigung für die Verfolgung von Homosexuellen während des Nationalsozialismus und auch danach zu verabschieden, so wie es der Deutsche Bundestag bereits getan hat“, so Ernst-Dziedzic.

Lindner fordert außerdem die beitragsfreie Anrechnung der Haftstrafen wegen Homosexualität auf die Pensionszeiten. Er will dazu in Kürze einen Antrag im Nationalrat stellen.

Update 13:00: Stellungnahme von Ewa Ernst-Dziedzic eingefügt

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