Freitag, 17. Mai 2024
HomePolitikEuropaPolen: Eingetragene Partnerschaften in den nächsten 100 Tagen?

Polen: Eingetragene Partnerschaften in den nächsten 100 Tagen?

Hoffnung in Polen: Bei den gestrigen Parlamentswahlen hat ein oppositionelles Bündnis genug Stimmen für eine Mehrheit bekommen. Das könnte auch die Situation für sexuelle Minderheiten in Polen verbessern.

Meistgelesen

Neu auf GGG.at

In den letzten Jahren gab es viele Angriffe der rechtsnationalistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) auf die LGBTI-Community. Mit der Schaffung von „LGBT-freien Zonen“, Attacken auf queere Menschen im letzten Präsidentschaftswahlkampf oder zahlreichen Schikanen für gleichgeschlechtliche Paare und trans Menschen. Doch das könnte schon bald der Vergangenheit angehören.

Die PiS ist stärkste Partei – aber für eine Mehrheit reicht es nicht

Denn auch, wenn die PiS bei den Parlamentswahlen am Sonntag die stimmenstärkste Partei geworden ist – für eine Mehrheit im polnischen Parlament dürfte nicht reichen. Damit schlägt die Stunde der zweitstärksten Partei, der liberalen Bürgerkoalition (KO) von Donald Tusk. Sie hat schon im Wahlkampf angekündigt, die Rechte sexueller Minderheiten in Polen stärken zu wollen.

- Werbung -

So könnte die Bürgerkoalition jetzt eine Koalition mit dem christlich-konservativen Dritten Weg und dem Linksbündnis Nowa Lewica (Neue Linke), dessen Vorsitzender Robert Biedroń einer der wenigen offen schwulen Politiker Polens ist, bilden. Das Dreierbündnis hätte mit etwa 250 Abgeordneten eine deutliche Mehrheit in dem 460 Sitze zählenden Parlament.

Donald Tusk sagt, er sei „der glücklichste Mensch auf der Welt“

„Ich bin heute der glücklichste Mensch auf der Welt“, sagte Tusk: „Ich habe mich noch nie so sehr über den zweiten Platz gefreut. Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen, das ist das Ende der PiS-Regierung.“ Die Abstimmung galt als Richtungswahl über den künftigen Kurs gegenüber der EU, der Ukraine und dem Nachbarland Deutschland.

Sollte Tusk eine Regierung bilden, könnten die Scharmützel mit der EU der Vergangenheit angehören. So hat die PiS-Regierung einen jahrelangen Machtkampf mit Brüssel geführt, unter anderem wegen der Justizreform, die von Kritiker:innen als Angriff auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gesehen wird.

Hoffnung für die LGBTI-Community, die von der PiS schikaniert wurde

Ein anderer Punkt, der zu Konflikten zwischen der EU und der konservativen Regierung in Polen geführt hat, waren die Rechte sexueller Minderheiten: So hat die EU auch wegen der Schaffung „LGBT-freier Zonen“ im Osten des Landes die Vergabe von Corona-Hilfen in der Höhe von rund 40 Millionen Euro verweigert.

Auf X, dem früheren Twitter, hofft der polnische LGBTI-Aktivist Bart Staszewski, dass der „Albtraum zu einem Ende kommt“: „Polen ist zurück auf dem Weg der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Dies ist erst der Anfang der Rückeroberung unseres Landes. Es liegt ein Kampf vor uns, aber wir atmen heute auf. Nach acht Jahren des Hasses seitens der Regierung ist der Autoritarismus in Polen vorbei. Ich kann es immer noch nicht glauben…“, schreibt er.

Pläne für Eingetragene Partnerschaften und ein neues Trans-Gesetz liegen schon vor

Für die LGBTI-Community, die Tusk im Wahlkampf als eine am meisten schikanierten Minderheiten bezeichnete, könnte sich die Situation schnell und deutlich deutlich verbessern. So scheint es unter den Oppositionsparteien einen Konsens zu geben, Eingetragene Partnerschaften für schwule und lesbische Paare einzuführen.

Das ist ein Kompromiss, mit dem auch der Dritte Weg als konservativer Koalitionspartner leben könnte. Dessen Vorsitzende und Władysław Kosiniak-Kamysz haben bereits eine Öffnung der Ehe ausgeschlossen. Die Einführung Eingetragener Partnerschaften gehört zu jenen Vorhaben, die innerhalb der ersten hundert Tage der Regierung Tusk auf den Weg gebracht werden sollen.

Am Dienstag liegt das Endergebnis vor

Auch die Lage für trans Personen könnte sich unter einem Premierminister Tusk verbessern. Er will „die derzeit sehr komplizierten und demütigenden, zermürbenden Gerichtsverfahren für Trans-Personen vereinfachen“. Derzeit müssen trans Personen ihre Eltern verklagen, um ihren amtlichen Geschlechtseintrag zu ändern.

Das amtliche Endergebnis wird für Dienstag erwartet. Dann könnten sich vor allem bei den kleineren Parteien die Verteilungen ändern. Es wird eine langwierige Regierungsbildung erwartet.