Donnerstag, 2. Mai 2024
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Fast Zweidrittel-Mehrheit für Ehe-Öffnung in der Schweiz

Hohe Wahlbeteiligung und bis jetzt Mehrheit in allen Kantonen

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Die Schweizer Bevölkerung hat sich mit großer Mehrheit für eine Öffnung der Ehe ausgesprochen. Insgesamt 64,1 Prozent, das sind 1.828.427 Stimmen, waren dafür, auch in allen Kantonen gab es eine Mehrheit für die „Ehe für alle“.

Ehe, Adoption und Samenspende für die LGBTI-Community geöffnet

Damit werden schwule und lesbische Paare in der Schweiz ab 1. Juli 2022 heiraten können. Auch im Adoptionsrecht werden gleichgeschlechtliche Paare nun gleichgestellt. Ehepartner:innen können dann auch im vereinfachten Verfahren eingebürgert werden. 

Zusätzlich erhalten lesbische Paare Zugang zur Samendatenbank – also zur künstlichen Befruchtung. Bei Kindern von gleichgeschlechtlichen Paaren wird die Elternschaft des nicht-biologischen Elternteils bereits ab der Geburt anerkannt. Weiterhin verboten bleiben die anonyme Samenspende, die Eizellenspende und die Leihmutterschaft.

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Nach sieben Jahren Debatte eine breite Mehrheit für die Ehe-Öffnung

Das Schweizer Parlament hat die „Ehe für alle“ letzten Dezember nach einer sieben Jahre dauernden Debatte verabschiedet. Der Nationalrat stimmte mit 136 zu 48 Stimmen bei neun Enthaltungen für den Entwurf, der Ständerat mit 24 zu elf Stimmen bei sieben Enthaltungen. Damit kommt das Parlament dem Willen der Schweizer:innen nach: Einer Umfrage aus dem November 2020 zufolge sind 82 Prozent der Befragten für die Öffnung der Ehe.

Dabei geht der Ja-Trend auch am Abstimmungssonntag quer durch das gesamte Land: In Basel-Stadt gab es mit 74,0 Prozent die größte Mehrheit, in Appenzell-Innerrhoden mit 50,8 Prozent die geringste Zustimmung. 

„Das Farbenfrohe der LGBTI-Bewegung passt zum gesellschaftlichen Megatrend Diversität“

Die Stimmbeteiligung lag mit über 50 Prozent überdurchschnittlich hoch. „Wir sehen keine Spaltung zwischen Stadt und Land. Es zeichnet sich auch eine ziemlich einhellige Beurteilung zwischen West- und Deutschschweiz ab. Das ist ein klares Verdikt für die ‚Ehe für alle‘“, so der Politik- und Kommunikationsforscher Lukas Golder von gfs.bern im SRF.

Das Prinzip der „Ehe für alle“ werde heute nicht mehr in Frage gestellt, so Golder: „Das Farbenfrohe der Schwulen- und Lesbenbewegung passt zu einem gesellschaftlichen Megatrend der Diversität in allen Facetten“, so der Experte: Anderen Menschen wolle man im Privatleben möglichst wenig Vorschriften machen.

Freude bei der Ja-Bewegung

„Ich bin sehr berührt“, sagte Laura Zimmermann von Operation Libero dem SRF in einer ersten Reaktion zu den Hochrechnungen: „Die Schweiz von gestern ist nicht mehr die Schweiz von heute. Es freut mich sehr, dass die Ungleichbehandlung von homosexuellen Paaren und Regenbogenfamilien heute ein Ende hat.“

Auch Maria von Känel, Geschäftsleiterin des Dachverbandes Regenbogenfamilien und Co-Präsidentin des nationalen Komitees „Ehe für alle“, freut sich über das Ergebnis: „Heute ist ein historischer Tag, ein Meilenstein für die Gleichstellung – und auch einer der Liebe zu meiner Partnerin, mit der ich seit über 24 Jahren zusammen bin.“

Beim Volksentscheid gehe es nicht nur um die Paare selbst: „Es ging um unsere Freunde, unsere Nachbarn, unsere Familien. Jetzt können wir gemeinsam feiern: gleichwertige Liebe, gleichwertige Ehe!“, so von Känel.

Gegner:innen sehen Verfassungsbruch

Die Gegner:innen der Ehe-Öffnung haben die Entscheidung kritisiert. In einem ersten Kommentar sprach die Nationalrätin Verena Herzog von der rechtspopulistischen SVP im SRF von einem Verfassungsbruch: „Es kann nicht sein, dass eine Verfassung jeweils nach dem Zeitgeist umgedeutet wird“, sagte sie.

„Für die Kinder, welche in lesbische Beziehungen gezeugt werden, verändert sich, dass sie nicht die Möglichkeit haben, eine Beziehung zu ihrem eigenen Vater aufzubauen“, warnt Timmy Frischknecht, Präsident der Jungen EDU Schweiz. Die konservative Partei hat für ein Nein zur Ehe-Öffnung geworben.

Kritik an der zu geringen Zustimmung kommt von den Jungen Grünen. „Das Resultat von über 60 Prozent Ja-Stimmen ist erschreckend. In anderen Worten: Fast jede dritte Person in der Schweiz ist queerfeindlich“, heißt es in einer Pressemitteilung. Dafür seien die Gegner der Ehe-Öffnung mit ihrer Kampagne verantwortlich: Der Bund solle prüfen, ob diese aufgrund derer mutmaßlichen Falschbehauptungen „rechtlich belangt werden“ könnten.

Kommt nun auch eine „Ehe light“?

Das deutliche Ja zur Ehe-Öffnung sorgt auch für neue Forderungen: So zeigt die FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen auf Twitter erfreut über das Ergebnis – und betont, dass es nun an der Zeit sei, dass Paare, die nicht heiraten wollten, ein rechtliches Fundament bekämen. 

Das fordert auch Andrea Carona, Ständerat des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Er fordert einen Zivilpakt, wie es ihn bereits seit mehr als zehn Jahren in Frankreich gibt, als Alternative zur klassischen Zivilehe.

Artikel wird laufend aktualisiert

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