Anfang März hatte die Polizei im russischen Orenburg gemeinsam mit militanten Nationalisten die queere Bar „Pose“ gestürmt, in der gerade eine Drag-Veranstaltung stattfand. Der Menschenrechts-Organisation Amnesty International zufolge zwangen die Polizist:innen Personal und Gäste, sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden zu legen.
Demütigungen bei der Razzia – die noch am gleichen Tag im Internet landete
Die Drag Queens, die aufgetreten waren, mussten halbnackt bleiben, ihre Kostüme und Perücken wurden beschlagnahmt. Die Nationalisten, die die Polizei bei der Aktion unterstützt hatten, filmten die Aktion und stellten die Videos noch am selben Tag ins Internet.
Die Verwalterin der Bar, die 28-jährige Diana Kamilianowa und der 21-jährige Alexander Klimow, künstlerischer Leiter des Etablissements, wurden bei der Razzia in Untersuchungshaft genommen – die in Russland normalerweise bis zum Ende des Verfahrens immer wieder verlängert wird.
Nun wurden die Betreiber auf die Terrorliste der Finanz gesetzt
Doch das sind nicht die einzigen Repressalien des russischen Staates gegen die beiden: Nach Recherchen der Nachrichtenagentur AFP wurden Kamilianowa und Klimow von der russischen Finanzagentur auf die Liste der „Terroristen und Extremisten“ gesetzt. Auch die Wohnungen der beiden Festgenommenen wurden untersucht.
Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, sei bei den Ermittlungen gegen die Verdächtigen – wenig überraschend – herausgekommen, dass es sich um „Menschen mit nicht traditioneller sexueller Orientierung“ handle. Die beiden würden auch „Ansichten und Aktivitäten“ der „internationalen LGBT-Bewegung“ unterstützen, die im November vom Obersten Gerichts Russlands als extremistisch eingestuft wurde – ohne nähere Definition.
Den beiden Betreibern drohen jetzt bis zu zehn Jahre Haft
Damit müssen Kamilianowa und Klimow im Falle einer Verurteilung wegen des Vorwurfs des Organisieren „extremistischer Aktivitäten“ mit einer zehnjährigen Haftstrafe rechnen. Wann der Prozess stattfinden soll, steht noch nicht fest.
Mit seiner Entscheidung hat das Oberste Gericht die Strafverfolgung sexueller Minderheiten in Russland ermöglicht. Kurz nach dieser Entscheidung hat die russische Polizei im Dezember in mehreren queeren Bars und Clubs sowie einer Schwulensauna Razzien durchgeführt. Offizieller Vorwand für die Razzien war die Suche nach Drogen. Zeug:innen zufolge hat die Polizei die Ausweise der Anwesenden fotografiert, es habe auch Festnahmen gegeben.
Mit dem Angriff auf sexuelle Minderheiten möchte sich der Kreml in Russland und bei seinen europäischen Fans als „Bewahrer traditioneller Werte“ positionieren. Bereits seit 2013 verbietet ein Gesetz „Homo-Propaganda“ gegenüber Minderjährigen, im Februar 2022 wurden die Gesetze noch einmal verschärft. Nun sind sämtliche Darstellungen „nicht traditioneller“ Beziehungen in Medien, Büchern, Filmen und im Internet in Russland verboten.